Der Koalitionsvertrag sieht zwar nur eine kontrollierte Abgabe von Genusscannabis an volljährige Personen vor, dennoch warnen Gegner vor einer gesamtgesellschaftlichen Verharmlosung des Rauschmittels. Sie befürchten, sobald Cannabis unter Erwachsenen offiziell gesellschaftsfähig ist, auch der Konsum der Jugendlichen steigt. Diese Annahme wird bisher jedoch weder von vergleichbaren Daten aus Europa noch von Kanada bestätigt. Trotz dessen spielen Jugendschutz und Prävention eine wichtige Rolle bei der Cannabis-Legalisierung.
Schließlich ist Cannabis in Europa das mit Abstand beliebteste Rauschmittel. Während der Alkoholkonsum der 12- bis 17-Jährigen rückläufig ist und der Tabakkonsum ein Allzeittief von 5,6 % erreicht hat, greifen Minderjährige vermehrt zu THC-haltigen Produkten. So belegt ein Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für das Jahr 2018 eine Lebenszeit-Prävalenz von 10 % in dieser Altersgruppe. Das bedeutet, dass bereits jeder Zehnte zwischen 12 und 17 Jahren mindestens einmal in seinem Leben Hanfprodukte ausprobiert hat. Bei der Befragung gaben 8 % der Jugendlichen an, dass sie in den vergangenen 12 Monaten Cannabis konsumiert haben. Einen regelmäßigen Konsum räumten dabei 1,6 % der Befragten ein. Die vorliegenden Daten werden jedoch von verschiedenen Stellen mit Besorgnis beobachtet.
Würden Verbote zu niedrigeren Konsumquoten führen?
Die Annahme, dass liberale Cannabis-Gesetze zu einem automatischen Anstieg der Konsumentenzahl führen, erweist sich als Fehlschluss. Schließlich ist Frankreich der europäische Spitzenreiter der 30-Tage-Prävalenz und das, obwohl Genusscannabis dort immer noch verboten ist. Deutlich besser schneiden hingegen liberale Länder wie die Niederlande und Portugal ab. Auch in Kanada blieb der Anteil der jugendlichen Konsumenten nach der Cannabis-Legalisierung konstant, beziehungsweise nahm dieser sogar ab. Des Weiteren kam der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags sowie eine vergleichende Studie von 38 Ländern zu dem Schluss, dass zwischen dem jugendlichen Konsumverhalten und liberalen Drogengesetzen kein Kausalzusammenhang belegt werden kann.
Dennoch verweist der Europäische Drogenbericht 2022 im Zeitraum von 2009 bis 2019 auf einen insgesamt signifikanten Anstieg von 45 % bei den Erstbehandlungen von Cannabis-Problemen. Dies ist jedoch unabhängig von den jeweils herrschenden Gesetzen. Grund für den Anstieg seien hingegen die starke Erhöhung der THC-Konzentration in den synthetischen Cannabinoiden sowie das fehlende Bewusstsein für diese Gefahr. Aufgrund dieser Problematik wurden von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) bereits Warnungen vor den umläufigen Cannabisprodukten herausgegeben. Daher argumentiert der Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung, dass eine wirksame Qualitätskontrolle der Produkte erst durch die Legalisierung von Cannabis erfolgen kann. Zudem sei eine umfassende Präventionsarbeit notwendig, um im Sinne des Jugendschutzes zu agieren.
Vorsicht vor Verharmlosung: Starker & häufiger Konsum ist ein Risiko für junge Menschen
Wenn es um Cannabis geht, ist das Alter ein entscheidender Faktor, wie gefährlich die Substanz für Konsumenten werden kann. Bei Jugendlichen befindet sich das zentrale Nervensystem nämlich noch im Aufbau, wobei ein häufiger und starker THC-Konsum diesen stark beeinträchtigen kann. So hat Cannabis eine direkte Wirkung auf den präfrontalen Cortex, welcher für Aufmerksamkeit, Entscheidungen, Problemlösung sowie Planung und Antizipation zuständig ist. Zudem gilt er als Sitz der Persönlichkeit. Wird der präfrontale Cortex durch Substanzen wie THC beeinträchtigt, kann es zu Lernschwächen kommen, aber auch schizophrene Episoden und Psychosen können verursacht werden.
Mögliche Folgen des Cannabis-Konsums im Jugendalter
Die Risiken eines zu starken und häufigen Cannabis-Konsums in der Jugend sind vielfältig und sollten ernst genommen werden:
- Beeinträchtigung der altersgerechten Entwicklung
- Negative Auswirkungen auf kognitive und soziale Fähigkeiten (Verringerung der Konzentration und des Problemlösungsvermögens)
- Abfall der Leistungsfähigkeit in der Schule oder dem Berufsleben
- Förderung von psychotischen Störungen (bei Menschen mit entsprechender Veranlagung)
- Entwicklung von Angststörungen und Depressionen
- Höhere Wahrscheinlichkeit einer Cannabisabhängigkeit als bei Erwachsenen
Cannabis-Gesetz sollte die Prävention umfassend fördern
Gerade in der jungen Altersgruppe ist besondere Vorsicht geboten. Zwar berichten Jugendpsychiater von einer gewissen Regeneration der kognitiven Fähigkeiten, wenn die Patienten eine längere Zeit auf Cannabis verzichten. Allerdings ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht geklärt, ob es sich dabei wirklich um eine Art biologische Reparation handelt. Daher fordert auch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendschutz (BAJ) eine verstärkte Präventionsarbeit, ausreichende Beratungsangebote und eine Ausweitung der Forschung bezüglich psychosozialer Folgen bei Kindern und Jugendlichen. Angesichts der steigenden Konsumentenzahlen spricht sich die BAJ zudem für die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums bei Minderjährigen aus. Da gerade für diese Gruppe das Abdrängen auf den Schwarzmarkt verheerende Folgen haben kann.
Fazit: Besserer Schutz durch Aufklärung statt Verbotspolitik
Der Ländervergleich zeigt, dass strikte Gesetze die Jugendlichen nicht vom Konsum abhalten. Die Gründe ihres Cannabis-Konsums sind dabei ganz unterschiedlich. Einige konsumieren aus Neugier, andere aus Gruppenzwang und wieder andere um familiäre oder wirtschaftliche Probleme zu kompensieren. All diesen Konsumgründen kann ein vollständiges Cannabisverbot kaum entgegenwirken. Allerdings zwingen die steigenden Konsumentenzahlen die Politik zum Handeln. Schließlich sind gerade die auf dem illegalen Markt erhältlichen THC-haltigen Produkte oft verunreinigt und somit höchst gefährlich für Minderjährige.
Gerade bei dem rückläufigen Konsum von Alkohol und Tabak zeigt sich, was eine umfangreiche und gut konzipierte Präventionsarbeit bewirken kann. Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen des Konsums können ein effizientes Instrument im Kinder- und Jugendschutz sein. Zudem können für entsprechende Kampagnen und Beratungsangebote die Steuereinnahmen aus dem lizenzierten Cannabis-Verkauf verwendet werden. Somit kann die Legalisierung von Cannabis nicht nur die Qualitätskontrolle gewährleisten, sondern auch Präventionsmaßnahmen finanzieren und so den Jugendlichen aktiv dabei helfen, gesunde Entscheidungen zu treffen.
FAQ
Ist der Cannabis-Konsum für Jugendliche legal?
Nein, in Deutschland wurde Cannabis noch nicht legalisiert. Seit 2017 kann medizinisches Cannabis verschrieben werden, die kontrollierte Abgabe von Genusscannabis an Erwachsene ist jedoch erst jetzt im Gespräch. Für Minderjährige wird es allerdings auch nach der Legalisierung nicht möglich sein, auf legalem Weg Cannabis zu konsumieren.
Würde die Legalisierung von Cannabis den Jugendschutz fördern?
Die Legalisierung nimmt zum einen Einfluss auf die Qualität der Cannabis-Produkte und führt zudem zu Steuereinnahmen, mit denen Präventionsmaßnahmen und Beratungsangebote finanziert werden können. Somit können Minderjährige ausführlich über Risiken und Nebenwirkungen des Konsums aufgeklärt werden.
Welche Auswirkungen hat der Cannabis-Konsum bei Jugendlichen?
Bis zum 22. Lebensjahr befindet sich das zentrale Nervensystem im Aufbau, sodass sich das Gehirn stetig weiterentwickelt. Der übermäßige THC-Konsum kann dabei negative Auswirkungen auf den präfrontalen Cortex haben. Das bedeutet, dass sowohl kognitive Fähigkeiten als auch die psychische Stabilität sehr stark beeinflusst werden können. Im jugendlichen Alter ist daher vom Cannabis-Konsum abzuraten.