Seit 2017 ist es in Deutschland erlaubt, Cannabis zu medizinischen Zwecken in Apotheken zu erwerben. Nun plant die Bundesregierung, Cannabis auch zu Genusszwecken zu legalisieren. Im Zuge dessen müssen jedoch noch zahlreiche Rahmenbedingungen geklärt werden. So unter anderem: Wie und wo Cannabis verkauft werden darf? Dies ist jedoch keine rein logistische Frage, denn die Art und Weise des Vertriebs kann auch die Erreichbarkeit der Ziele der Legalisierung beeinflussen. Daher haben wir einen Überblick über die verschiedenen Verkaufsmodelle erstellt.
Cannabis schnell am nächsten Kiosk holen oder online bestellen und bequem nach Hause liefern lassen? Die Vertriebsmodelle sind vielfältig und werden angesichts der bevorstehenden kontrollierten Abgabe von Genusscannabis kontrovers diskutiert. Laut Koalitionsvertrag soll der Verkauf von Cannabis nur in „lizenzierten Geschäften“ erfolgen. Allerdings ist noch nicht genau definiert, was unter einem lizenzierten Geschäft zu verstehen ist und ob dieses auch den Online-Handel einschließt. Des Weiteren ist noch nicht klar, wer eine solche Lizenz erhalten könnte.
Bei einem Blick auf andere Länder wird deutlich, dass sich die Modelle stark unterschieden. Von staatlich lizenziertem Anbau und Verkaufsstellen in Kanada bis hin zu den gemütlichen Coffeeshops in den Niederlanden, in denen zwar der Verkauf legal ist, der Anbau und Einkauf jedoch nicht. Aktuell wird zudem in der Schweiz ein Pilotprojekt zur Legalisierung von Cannabis durchgeführt. Im Rahmen dessen wird die Art der Verkaufsstelle durch einzelne Versuchskapitel festgelegt.
Das Schweizer Pilotprojekt: Wie händeln es unsere Nachbarn?
Ein Blick in die Schweiz zeigt, wie der Vertrieb und die Lizenzvergabe geregelt werden könnten. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass es sich aktuell nur um ein zeitlich begrenztes Pilotprojekt handelt. Ziel dessen ist es, eine wissenschaftliche Grundlage zu schaffen, um später den langfristigen Umgang mit der Thematik auf eine valide Datenbasis stützen zu können. Zu dem Pilotversuch kann sich jede private oder öffentliche Organisation anmelden, sei es eine Gemeinde, ein Kanton oder eine Stiftung. Um vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Bewilligung für das Pilotprojekt zu erhalten, muss jedoch ein anerkanntes Forschungsinstitut daran beteiligt sein.
Des Weiteren darf es auf Konsumentenseite nicht mehr als 5.000 Teilnehmer pro regionalem Versuchskapitel geben. Zudem müssen die Teilnehmenden nachweislich schon vorher Cannabis konsumiert haben und dürfen keine gesundheitlichen Kontraindikatoren aufweisen. Während des Versuchs ist es außerdem verboten, die Substanz an Dritte weiterzugeben. Sobald die Versuchsleitenden all diese Voraussetzungen erfüllen, können sie von dem BAG mit grünem Licht rechnen. Nach der Genehmigung können die Versuchsleitenden selbst die Cannabis-Anbauer und Produkthersteller wählen, ebenso wie die Form der Abgabestelle. In der Schweiz existieren daher parallel verschiedene Modelle. Dabei besteht jedoch stets die Bedingung, dass die Konsumenten und Konsumentinnen vor Ort von fachkundigem Personal beraten und betreut werden. Auch für die Produkte herrschen hohe Qualitätsstandards. Als Anbauer kommen beispielsweise nur jene in Frage, die die Auflagen für den biologischen Anbau erfüllen. Die Endpreise sind wiederum von den Konsumierenden selbst zu tragen, wobei sie von der THC-Stärke abhängig sind. Ansonsten bewegen sich die Preise auf Schwarzmarktniveau. Dies wurde bewusst so gewählt, da eine Unterbietung des Schwarzmarktpreises eine Wettbewerbsverzerrung begünstigen könnte, während ein zu hoher Kostenfaktor den illegalen Händlern in die Karten spielen würde. Aktuell existiert allerdings noch kein Online-Versandhandel.
Ziele der Cannabis-Legalisierung
In Deutschland ist Cannabis bisher nur für medizinische Zwecke zugelassen. Auf ärztliches Rezept können es Patienten ausschließlich in Apotheken legal erwerben. Daher stellt sich aktuell auch die Frage: Sind Apotheken eine geeignete Abgabestelle für Cannabis zu Genusszwecken? Um diese zu beantworten, müssen jedoch die Ziele der Legalisierungsstrategie genauer unter die Lupe genommen werden.
Burkhard Blienert, der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, formulierte drei Schwerpunkte, welche durch die Legalisierung erreicht werden sollen. Dabei handelt es sich um die Schwarzmarktbekämpfung sowie den Jugend- und Gesundheitsschutz. Aus diesen Zielen können sich unterschiedliche Vertriebsarten ableiten. Um etwa den Schwarzmarkt zu bekämpfen, braucht es eine flächendeckende Infrastruktur und eine moderate Preisstrategie, während die Themen Jugend- und Gesundheitsschutz eine persönliche Beratung erfordern.
Viele Fragen sind aktuell noch unbeantwortet
SPD-Politiker Blienert ist sich der großen Verantwortung des Legalisierungsprojektes bewusst. Selbstverständlich sei es daher, dass nur Volljährige Cannabisprodukte erwerben dürfen. Des Weiteren ist im Koalitionsvertrag geregelt, dass eine Form der staatlichen Lizenzierung erfolgen wird. In einem Interview mit dem Tagesspiegel betonte der Drogenbeauftragte der Bundesregierung zudem die Notwendigkeit einer fachkundigen Beratung in der Abgabestelle:
“Cannabis darf dort natürlich nicht einfach nur vom Regal in den Einkaufswagen wandern, es muss darüber gesprochen und informiert werden“
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es allerdings noch viele offene Fragen. Werden die Lizenzen zeitlich oder numerisch limitiert? Was ist unter einem „Fachgeschäft“ zu verstehen? Welche Voraussetzungen gibt es für die Lizenzvergabe? Welche Abgabestellen sind möglich? Und vor allem: Wie werden der Anbau von Cannabis und der Import von Cannabis geregelt. Neben diesen Punkten warten noch viele weitere auf eine genaue Definition durch die politischen Entscheidungsträger.
Die möglichen Vertriebsmodelle im Überblick
Wie schon erwähnt, gibt es verschiedene Formen der Abgabestellen. Dies nehmen wir im Folgenden etwas genauer unter die Lupe:
Coffeeshop
Ein Coffeeshop ist eine Art Begegnungszentrum, in dem gleichzeitig Cannabiskauf und -konsum stattfinden. Dort gibt es Alters- und Mengenbeschränkungen sowie eine fachkundige Betreuung, wobei auch Prävention und Suchtberatung gewährleistet werden. Eine Verdrängung des illegalen Marktes wäre hierbei allerdings nur dann möglich, wenn es genügend solcher Einrichtungen gäbe und sowohl Anbau als auch Einkauf von Cannabis legal wären.
Cannabis Social Club (CSC)
Bei den Cannabis Social Clubs handelt es sich um nicht-profitorientierte Vereine, die ihren Mitgliedern Cannabis aus Eigenanbau anbieten. Dabei findet der Konsum abseits der Öffentlichkeit in geschlossenen Räumen statt. Die CSCs sind auch eine bewährte Waffe gegen den Schwarzmarkt, da die Preise aufgrund der kollektiven Ausrichtung niedriger sind, während die Qualitätsmaßstäbe wiederum sehr hoch sind. Damit das Konzept dieser Clubs aufgeht und alles rechtlich im grünen Bereich ist, ist allerdings eine Erlaubnis zum Eigenanbau erforderlich.
Shop-in-Shop
Bei diesem Modell wird Cannabis in regulären Alkohol- und Tabakgeschäften verkauft. Die Cannabisprodukte hätten dann die gleichen Werbebeschränkungen wie Alkohol, wobei in den Geschäften eine Alterskontrolle durchzuführen ist. Die dichte Infrastruktur solcher Läden könnte im Kampf gegen den illegalen Schwarzmarkt ein effektives Mittel sein. Das Thema Suchtprävention würde in diesem Fall allerdings auf die Schulen und ähnliche Einrichtungen ausgelagert werden, jedoch wohl nicht in den Verkaufsstellen erfolgen können.
Online-Shop
Der Online-Versandhandel könnte ergänzend zu den anderen Modellen angeboten werden. Dadurch kann vor allem der Schwarzmarkt bekämpft werden, da so auch die Bevölkerung abseits der urbanen Zentren mit Cannabis versorgt werden kann. Auch eine Altersüberprüfung ist bei dieser Variante möglich, dies kann sowohl bei der Bestellung als auch bei der Paketübergabe erfolgen. Zudem kann entsprechendes Fachpersonal online oder telefonisch bereitgestellt werden, sodass Beratungen stattfinden können. Allgemein gibt es online zahlreiche Möglichkeiten – von Video Calls zur Suchtberatung bis hin zu Finger-ID-Nutzerprofilen.
Apotheken
Die Apotheke als Abgabestelle wird hingegen kontrovers diskutiert. Die stärksten Befürworter dieses Modells kommen aus der FDP. So sieht Bundesjustizminister Buschmann einen klaren Vorteil in der durch das medizinische Cannabis etablierten Infrastruktur und das bereits geschulte Personal. Gabriele Regina Overwiening, die Vorsitzende der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) verweist hingegen auf einen „heilberuflichen Zielkonflikt“, welcher durch die Vermischung von Genuss- und Arzneimittel entstünde. Aus ihrer Sicht könnte die Apotheke als Abgabestelle nur als exklusive Veranstaltung funktionieren. Einen anderen Standpunkt vertritt Christiane Neubaur, die Geschäftsführerin des Verbands der cannabisversorgenden Apotheken (VCA). Ihrer Meinung nach ist es unwahrscheinlich, dass alle Apotheken in das Projekt einsteigen. Aufgrund dessen wäre die Infrastruktur wesentlich löchriger als beim medizinischen Cannabis, wo sie schon jetzt als unzureichend gilt.
Ein weiterer Faktor, der gegen die Apotheken sprechen könnte, sind die hierzulande üblichen Apothekensteuern, welche den Cannabis-Preis in die Höhe treiben würde. Wie die Legalisierung bereits in Kanada zeigte, ist es bei einer hohen Preisdifferenz zwischen den staatlich geprüften Cannabisprodukten und denen von illegalen Dealern kaum möglich, den Schwarzmarkt zu verdrängen. Dies geht wiederum zu Lasten des Jugend- und Gesundheitsschutzes.
Fazit
Welches Vertriebsmodell Deutschland für den Verkauf von Cannabis wählen wird, ist aktuell noch offen. Das liegt unter anderem daran, dass noch nicht erarbeitet wurde, was als „lizenziertes Geschäft“ zu definieren ist. Einig sind sich die Experten hingegen bei dem Einsatz von geschultem Fachpersonal, dass den Konsumenten beratend zur Seite stehen soll. Dies könnte unter anderem eine Bedingung für die Lizenzvergabe sein. Selbst dann gibt es noch zahlreiche Modelle, die möglich wären. Zudem bleibt abzuwarten, ob das Schweizer-Pilotprojekt die hiesige Politik beeinflusst und es vielleicht sogar mehrere Abgabestellen parallel geben wird. Wir sind gespannt, ob bald die ersten Coffeeshops oder Cannabis Social Clubs öffnen, Cannabis in Kiosken verkauft wird oder die Thematik eine exklusive Angelegenheit der Apotheken wird.