Kann durch die Cannabis-Legalisierung der illegale Schwarzmarkt verdrängt werden? – Was Deutschland von anderen Ländern lernen kann
Bei Diskussionen um die Legalisierung von Cannabis spielt neben dem Gesundheits- und Jugendschutz vor allem die Verdrängung des illegalen Marktes eine essenzielle Rolle. Um den Schwarzmarkt nachhaltig auszurotten, müssen jedoch zahlreiche Faktoren beachtet werden. Welche das sind und was wir dabei von anderen Ländern wie den Niederlanden, Spanien, Kanada oder den USA lernen können und sollten, erfährst du im Folgenden.
Während in der Schweiz die ersten Pilotprojekte zur Legalisierung von Cannabis anlaufen, setzt sich auch unser Gesundheitsminister Karl Lauterbach für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland ein. So war das zwar nicht immer, doch nun spricht er als Arzt und verantwortlicher Gesundheitsminister, dessen Aufgabe unter anderem der Gesundheitsschutz der Bevölkerung ist. So gehen von illegal erworbenem Cannabis häufig gesundheitliche Gefahren aus. Dabei kann es sich um gefährliche Verunreinigungen wie beigefügte Scherben oder den Versatz mit härteren Drogen handeln.
Dieses Problem ist jedoch nur mit einer strengen Qualitätskontrolle zu lösen, welche es aber nur geben kann, wenn der Handel mit Cannabis erlaubt ist. Mit einer Legalisierung von Cannabis kann dem Schwarzmarkt langfristig der Nährboden entzogen werden. Doch damit die Legalisierung nachhaltige Erfolge erzielt, müssen zahlreiche Faktoren beachtet werden. Hierbei kann Deutschland aus den Fehlern einiger Länder lernen, die Cannabis bereits teilweise oder ganz legalisiert haben.
Wird der Cannabis-Konsum durch die Legalisierung steigen?
Skeptiker befürchten durch die Legalisierung von Cannabis einen Anstieg des Konsums, vor allem bei Minderjährigen und jungen Erwachsenen. Die bisherige Datenlage bestätigt dies jedoch nicht. In einem Vergleich von 38 Ländern kamen Experten zu dem Ergebnis, dass kein Zusammenhang zwischen dem Konsumverhalten von Jugendlichen und der Legalisierung besteht. David Hammond, Professor und Gesundheitsforscher der Universität Waterloo, spricht hingegen von einem „Mythos“.
So vermutet er, dass mancher Orts hinter den scheinbar steigenden Konsumentenzahlen ein anderer Mechanismus steckt. Eine Legalisierung könnte sich eher auf das Antwortverhalten der Befragten auswirken, als auf das Konsumverhalten. Beispielsweise sei es möglich, dass Befragte aufgrund der Illegalität von Cannabis dessen Konsum bei Befragungen verschwiegen haben, während sie nun durch die Legalisierung ehrlicher antworten würden.
Des Weiteren halten viele Experten aus Justiz, Kriminologie und Medizin die restriktive Drogenpolitik für missglückt. Schließlich trägt die Prävention keine Früchte, ebenso wenig stellte sich beim Konsum ein wirklicher Erfolg ein. Im Gegenteil, die Zahlen der Konsumenten stiegen in den vergangenen Jahren konstant, insbesondere bei den Jugendlichen. Bedient werden diese ausschließlich vom Schwarzmarkt, was ein großes Problem darstellt. Cannabis vom Schwarzmarkt wird häufig gestreckt, wobei es verunreinigt oder mit gefährlichen Substanzen versetzt wird.
Die Liste der Beimischungen ist dabei sehr lang – von Glas, Blei und Haarspray über synthetische Cannabinoide bis hin zu härteren Drogen. In der Schweiz ist daher der Cannabis Jugendschutz eines der Hauptargumente für eine Legalisierung.
So können wir aus den Erfahrungen anderer Länder lernen
In Kanada und den USA deuten erste Daten daraufhin, dass die Legalisierung den Schwarzmarkt schrittweise zurückdrängt. Vollständig verschwunden ist er jedoch noch nicht. Legalisierungssekeptiker werten dies als Misserfolg und Beleg dafür, dass der freie Verkauf den illegalen Handel nicht stoppen kann. Schließlich sei dies noch nicht mal in den Niederlanden geschehen. Diese drei Länder sind allerdings mitnichten zu vergleichen, da sich sowohl die Zeitspannen als auch die Legalisierungsmodelle stark unterscheiden.
In den Niederlanden ist seit 1976 der Konsum von Cannabis gestattet, ebenso wie der Besitz von bis zu fünf Gramm. Allerdings sind weder Anbau noch Einkauf großer Mengen erlaubt. Die legendären Coffeeshops werden daher von einem illegalen Lieferanten-Netz versorgt. Demnach bietet in den Niederlanden nicht die Legalisierung von Cannabis dem Schwarzmarkt einen Nährboden, sondern die Nicht-Legalisierung von Anbau und Einkauf. Für Deutschland ist es daher empfehlenswert, auch den Anbau und Einkauf von Cannabis zu legalisieren. Nur so kann der Schwarzmarkt nachhaltig eingedämmt und den kriminellen Tätigkeiten ein Ende bereitet werden.
Cannabis legal oder illegal erwerben: Welche Rolle spielt der Preis?
Die Situation in Kanada und den USA ist hingegen eine ganz andere. Kanada legalisierte erst Ende 2018 Cannabis zu Genusszwecken, wobei bereits 2020 der legale Markt den illegalen überholte. Ende 2021 erreichte der legale Handel bereits das doppelte Marktvolumen. Einer der Hauptgründe, warum sich der Schwarzmarkt dennoch halten kann, ist die Kostenstruktur.
So gibt es zwischen nicht-lizenziertem und lizenziertem Cannabis Preisunterschiede von 40 bis 50 %. Dennoch kristallisiert sich heraus, dass Menschen, die sich die Qualität leisten können, diese auch langfristig kaufen. David Hammond verweist dabei unter anderem auf die Lage im US-Bundesstaat Colorado. Nach sieben Jahren der Cannabis-Legalität bevorzugen 90 % der Konsumenten die legale Ware. Bei einer Legalisierung in Deutschland wäre es daher wichtig, auf die Preisstruktur zu achten. Wenn der Preis des legalen Cannabis weitaus höher wäre als die Ware vom Schwarzmarkt, würde der angestrebte Effekt verpuffen.
Für das Weiterbestehen der Schwarzmärkte ist gerade in den USA die Preispolitik verantwortlich - hier jedoch anders als in Kanada. Um Cannabis anbauen zu dürfen, muss zunächst eine kommerzielle Anbau-Lizenz beantragt werden, wobei die Antragsgebühren in die Hunderttausend Dollar gehen. Zudem muss die Zulassung jährlich erneuert werden, sodass nochmals hohe Kosten auf die Cannabiszüchter zukommen. Des Weiteren muss für die Legalisierung des Geschäfts ein umfangreicher Businessplan erstellt werden, welcher professionelle Beratung erfordert. Diese ist wiederum sehr kostenintensiv. Eine angemessene Preis- und Besteuerungspolitik könnte hier eine präventive Wirkung einnehmen.
Um den Schwarzmarkt nachhaltig auszutrocknen, muss bei der Legalisierung von Cannabis auch die Infrastruktur berücksichtigt werden. In Kanada vollzog sich die Einführung legaler Cannabis-Produkte nur Schritt für Schritt, sodass lizenzierter Cannabis nicht sofort überall verfügbar war. Unter diesen Umständen kaufen jedoch viele Konsumenten lieber bei ihrem bekannten Dealer um die Ecke, als in die nächste Großstadt zum legalen Verkäufer zu fahren.
Ist eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis sinnvoll?
Der Eigenanbau von Cannabis ist ein wichtiges Thema, das ausführlich diskutiert werden sollte. Schließlich werden Konsumenten, die selbst anbauen, nicht auf den illegalen Markt zurückgreifen. Hierzulande steht der Eigenanbau noch unter Strafe. Allerdings kann gerade in ländlichen Regionen die Versorgung durch Fachgeschäfte nicht abgedeckt werden, weshalb der Eigenanbau eine wichtige Rolle spielen könnte.
Das zeigt auch ein Blick auf Kanada. Dort wurde in der “Canadian Cannabis Survey 2021” eine Befragung durchgeführt, die Aufschluss darüber gibt, woher Konsumenten ihr Cannabis beziehen. Dabei kam heraus, dass rund 8 % der Befragten 2021 ihr Cannabis aus dem Eigenanbau und 7 % von Freunden bezogen. Weitere 64 % kauften Cannabis in legalen Fachgeschäften und Online-Shops, während nur 6 % weiterhin auf den Schwarzmarkt setzten.
Cannabis Social Clubs
Bei der Debatte um den Eigenanbau von Cannabis kommen Experten auch häufig auf das Thema Cannabis Social Clubs zu sprechen. Diese versorgen ihre Mitglieder mit hochwertigen Cannabisprodukten aus eigenem Anbau. Dadurch wird nicht nur die Qualität der Produkte gesichert, sondern auch der Schwarzmarkt ausgeschlossen. Zudem ist der Preis meist sehr gering, da der CSC nicht auf Gewinne aus ist, sondern lediglich die Herstellungs- und Vertriebskosten abdeckt. Auch für den Staat könnte dieses Prinzip zahlreiche Vorteile mit sich bringen.
Zum einen wird der Schwarzmarkt bekämpft und zum anderen wird der Verkauf und Konsum abseits der Öffentlichkeit möglich. Die Cannabis Social Clubs dürfen zudem keine Werbung machen, sodass sowohl Jugendliche als auch Erwachsene nicht ungewollt mit der Thematik in Berührung kommen.
Das Modell der CSCs gibt es bereits in Spanien, wobei hunderte dieser Clubs existieren. Zwar ist Cannabis in Spanien noch nicht legalisiert, dennoch schaffte die “Doktrin des geteilten Konsums” Rahmenbedingungen, nach denen die Cannabis Social Clubs toleriert werden. Wenn die Doktrin von den Clubs eingehalten wird, werden Anbau von Cannabis und Konsum von Cannabis nicht strafrechtlich verfolgt. Seit Herbst 2021 wurden die Regelungen bezüglich der CSCs jedoch verschärft. Nun dürfen nur noch Gewohnheitskonsumenten und Süchtige als Mitglieder aufgenommen werden. Außerdem wurde die Menge des täglichen Konsums limitiert.
Fazit: Das sollte Deutschland bei der Legalisierung von Cannabis beachten
Deutschland hat die Chance gleich von vornherein vieles richtig zu machen, wenn es bereit ist, aus den Erfahrungen der Pionierländer zu lernen. Daten aus anderen Ländern zeigen bereits, dass der Schwarzmarkt durch die Legalisierung langsam aber sicher verdrängt werden kann - wenn gewisse Faktoren berücksichtigt werden. Dazu zählen unter anderem Preispolitik, Infrastruktur sowie die Rechtssicherheit für den Anbau und Vertrieb.
Die Legalisierung von Cannabis ist ein großes gesellschaftliches Projekt, das viele Vorteile mit sich bringen kann. Neben der Eindämmung des illegalen Marktes können Steuereinnahmen generiert und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Letzten Endes könnte die Cannabis-Legalisierung auch die organisierte Kriminalität senken und für einen besseren Jugend- und Gesundheitsschutz sorgen.
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