In Deutschland wird seit längerer Zeit über eine Legalisierung von Cannabis gestritten. Dabei gibt es auf der einen Seite klare Befürworter einer Legalisierung sowie erbitterte Gegner auf der anderen Seite. Nachdem sich die Parteien der aktuellen Bundesregierung im Rahmen der Koalitionsverhandlungen Ende 2021 grundsätzlich auf eine Legalisierung verständigen konnten, hat die Debatte weiter an Fahrt aufgenommen. Ist eine Legalisierung wirklich richtig? Wie ließe sie sich umsetzen, welche Regelungen sollten dabei gelten? Wie steht es um die Möglichkeit einer Entkriminalisierung? Würde ein im Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition beschlossenes Gesetz auch erfolgreich den Bundesrat passieren? Hier gibt es also noch viel zu klären, ehe es zu einer Legalisierung – in welcher Form auch immer – tatsächlich kommen kann.
In den Debatten gerät eine Frage dabei häufig in den Hintergrund: Warum ist eine Legalisierung überhaupt erforderlich? Oder anders: Warum wurde Cannabis in Deutschland eigentlich verboten und wie genau ist es dazu gekommen?
Cannabis verboten, weil illegal! Ist es wirklich so einfach?
Natürlich könnte man es sich an dieser Stelle recht einfach machen und sagen: ‘Cannabis ist verboten, weil es illegal ist.’ Aber das ist natürlich eine sehr billige und stumpfe Erklärung, ähnlich einem Schild am Eingang eines Geschäfts mit der Aufschrift: ‘Heute geschlossen wegen zu.’ So oberflächlich wollen wir die Sache natürlich nicht betrachten, schließlich war Cannabis auch nicht immer illegal in Deutschland. Dementsprechend wollen wir nachfolgend mit dir einen genaueren Blick auf die Hintergründe bei der Entstehung des Verbots werfen und starten hierzu mit einem kleinen Blick in die Vergangenheit. Wenn du dich jedoch eher weniger für die spannende Hintergrundgeschichte rund um die Entstehung des Verbots interessierst, sondern stattdessen mehr über Pro- und Contra-Argumente von Verbot beziehungsweise Legalisierung erfahren möchtest, schau am besten einmal hier vorbei.
Ein kurzer Blick zurück: Cannabis war nicht immer verboten
Die Cannabispflanze Cannabis Sativa L. wird bereits seit über 12.000 Jahren von den Menschen kultiviert und zu verschiedenen Zwecken eingesetzt – als Ursprungsregion gilt dabei heute Zentralasien. Eine der häufigen Verwendungsarten im Laufe der Zeit war zum Beispiel die Nutzung der Pflanzenfasern zur Herstellung von Kleidung und Seilen. Doch nicht nur in Zentralasien wurde schon früh Cannabis angebaut und kultiviert, sondern bei ihrem Siegeszug um die Welt gelangte die Pflanze auch nach Europa und hier zum Beispiel auch auf das Gebiet der heutigen Bundesrepublik: In Eisenberg (Thüringen) wurden zum Beispiel Cannabissamen entdeckt, die mehr als 5500 Jahre alt sein sollen und eine Nutzung der Cannabispflanze in der Jungsteinzeit annehmen lassen. Über ein behördlich beaufsichtigtes Verbot wurde zu diesen Zeiten wohl noch nicht nachgedacht…
Cannabis macht Karriere als Medizin und verbotene Droge
Der medizinische Einsatz von Cannabis lässt sich bereits für die Zeit um 2700 v. Chr. belegen – über ein chinesisches Heilkundebuch, das die Anwendung zum Beispiel bei Rheumaerkrankungen vorsieht. Zudem sollen auch in Indien bereits vor 5000 Jahren die Verletzungen von Kriegern mit Hanfblättern behandelt worden sein. Im Europa des Mittelalters wird es vereinzelt ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen eingesetzt – etwa zur Schmerzlinderung. Im 19. Jahrhundert wird Cannabis schließlich in Europa und den USA als Medizin immer beliebter, Arzneimittel mit Cannabis werden dabei gegen Asthma, Kopfschmerzen und viele andere Beschwerden eingesetzt. Das Aufkommen und die fortschreitende Verbreitung synthetischer Medizinprodukte führen dann jedoch dazu, dass das Interesse an den Cannabis-Produkten und deren medizinischer Einsatz abnimmt.
In den 1960er Jahren erfreut sich Cannabis dann neben MDMA und LSD besonders in Teilen der Hippie- und Studentenbewegung großer Beliebtheit und macht so neu Karriere – nun jedoch als illegale Droge. Aber was war in der Zwischenzeit passiert?
Warum Cannabis verboten wurde? Die Geschichte beginnt im Jahr 1909
Im Jahr 1909 entsteht die Internationale Opiumkommission. Zu den Gründungsmitgliedern gehört neben den USA und Großbritannien damals auch Deutschland. Wie es der Name schon andeutet, steht dabei anfangs das Opium im Fokus, das verboten werden soll. Auslöser hierfür waren besonders die sogenannten Opiumkriege. Bei der zwei Jahre später stattfindenden Internationalen Opiumkonferenz (1911–1912) ändert sich der Fokus jedoch ein wenig. Denn die italienische Regierung möchte einheitliche Regelungen für Opium, Morphin, Kokain und eben Cannabis, dessen Handel und Besitz verboten werden sollen. Zwar ziehen die Italiener den Antrag zurück, doch der Geist ist aus der Flasche. Zudem verpflichten sich die Länder in der Abschlusserklärung dazu, Cannabis “durch die inländische Gesetzgebung oder ein internationales Abkommen einzudämmen.” Doch Papier ist bekanntermaßen geduldig und so passiert in vielen Ländern zunächst einmal – nichts.
Ägypten und die zweite Internationale Opiumkonferenz (1924–25)
Auf der zweiten Internationalen Opiumkonferenz (1924–1925) in Genf (Schweiz) setzt sich dann besonders Ägypten mit seinem Vertreter El Guindy für eine strikte Cannabis-Regulierung ein, unter anderem, da dies die Menschen arbeitsscheu mache. Mit Erfolg: Im mit der Angelegenheit betrauten Ausschuss kann Ägypten mit Unterstützung durch die Türkei, die USA, Frankreich, Griechenland sowie Japan und gegen die Stimmen der Niederlande, Indiens und Großbritanniens durchsetzen, dass der sogenannte ‘indische Hanf’ in das Abkommen aufgenommen wird.
Das deutsche Opiumgesetz von 1929 – der entscheidende Schritt zum Verbot
Auch die in dem Ausschuss nicht vertretene Weimarer Republik ist verpflichtet, ausgehend von den internationalen Abkommen entsprechende Landesgesetze zu beschließen. 1929 – also ca. vier Jahre später – verabschiedet der Reichstag schließlich das Opiumgesetz, in das auch der ‘indische Hanf’ aufgenommen wird. Ein Verkauf in Apotheken ist zu diesem Zeitpunkt zwar noch möglich, außerdem droht in den meisten Fällen auch keine strikte strafrechtliche Verfolgung, dennoch stellt dies einen bedeutenden Wendepunkt bei der Behandlung der Cannabispflanze dar. Eine weitere Verschärfung erfolgt 1961 mit dem Einheitsabkommen über Betäubungsmittel, das als völkerrechtlicher Vertrag für mehr als 180 Länder bindend ist. 1971 wird aus dem Opiumgesetz in der Bundesrepublik schließlich das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). In diesem wird der ‘indische Hanf’ dann auch tatsächlich als Cannabis bezeichnet – und der Besitz, Handel und Anbau werden verboten. Die entsprechenden Bestimmungen haben im Kern bis heute Bestand – abgesehen beispielsweise von einer ersten Liberalisierung für medizinisches Cannabis im Jahr 2017.
Persönliche und wirtschaftliche Interessen auf dem Weg zum Cannabis-Verbot
Jetzt hast du in aller Kürze einen historischen Überblick zu wesentlichen Stationen und internationalen Abkommen erhalten, die für das Cannabis-Verbot von Bedeutung sind. Ein entscheidender Schritt war dabei sicher der Antrag Ägyptens bei der zweiten Internationalen Opiumkonferenz. Dass es danach zu immer schärferen Gesetzen und einer fortschreitenden Kriminalisierung von Cannabis kam, hat sicherlich verschiedene Gründe und ist unter anderem auch mit dem Namen Harry Anslinger verbunden. Anslinger war Anhänger einer strikten Drogenpolitik und wurde 1930 Leiter des Federal Bureau of Narcotics. Er trieb verschiedene Öffentlichkeitskampagnen voran und trug so stark zu einem kritischen Blick und regelrechten Verruf der Cannabispflanze bei. Seine Darstellungen gelten als einseitig und die Argumente oder Belege sind – vorsichtig formuliert – stark umstritten, hatten aber große Wirkung, auch über die USA hinaus. Auch der bekannte Abschreckungs-Film Reefer Madness (1936) soll manchen Quellen zufolge durch das Federal Bureau of Narcotics gefördert worden sein. 1947 wird Anslinger schließlich Mitglied der UN-Drogenkommission und setzt hier seinen Kampf gegen Cannabis fort. Warum er diesen Kampf in den 1930ern überhaupt begann? Auch dies ist umstritten, manche Betrachter gehen davon aus, dass er einfach ein Betätigungsfeld für die Rechtfertigung seiner Behörde suchte und dies ausgerechnet im Cannabis fand. In diesem Fall wären dann also auch persönliche Interessen ein wichtiger Faktor bei der Entstehung und Verschärfung des Cannabis-Verbots. Ein anderer Grund, der das Verbot von Cannabis befeuert haben könnte: Wirtschaftliche Interessen, denn besonders Waldbesitzern und Chemie-Konzernen kam der Kampf gegen Cannabis wohl durchaus gelegen, um nicht mit dem Rohstoff Hanf konkurrieren zu müssen.
Fazit: Internationale Abkommen ebneten den Weg zum Cannabis-Verbot in Deutschland
Dass es zu einem Cannabis-Verbot in Deutschland gekommen ist, ist nicht zuletzt auch auf internationale Abkommen zurückzuführen. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts sich beispielsweise Ägypten für ein internationales Verbot einsetzt, ist der Konsum in afrikanischen und arabischen Ländern als Genussmittel weit verbreitet – in der Weimarer Republik jedoch eher weniger, außerdem ist die Weimarer Republik zu dem Zeitpunkt eigentlich eher gegen ein entsprechendes Gesetz. Das bedeutet natürlich nicht, dass es zu einem späteren Zeitpunkt nicht auch ohne diesen Schritt zu einem Verbot hätte kommen können, beispielsweise ausgelöst durch die fragwürdigen und dennoch sehr erfolgreichen Aktivitäten Harry Anslingers. Doch in den Zwanziger Jahren waren in dieser Frage für die Weimarer Republik zunächst die internationalen Abkommen von bedeutendem Einfluss. Übrigens: Manchmal wiederholt sich die Geschichte, denn die deutsche Beteiligung an internationalen Abkommen könnte auch heute eine Herausforderung für die Bundesregierung bei einer angestrebten Legalisierung von Cannabis darstellen.
FAQ
Warum wurde Cannabis in Deutschland verboten?
Dass es in der Weimarer Republik zum sogenannten Opiumgesetz von 1929 gekommen ist, ist besonders auf die zweite Internationale Opiumkonferenz (1924–1925) in Genf zurückzuführen. Infolge der hier getroffenen Beschlüsse mussten auch die Gesetze der Weimarer Republik angepasst werden und Cannabis (damals als ‘indischer Hanf’ bezeichnet) wurde neben Opium, Kokain etc. in das Opiumgesetz aufgenommen.
Wird Cannabis in Deutschland jetzt legalisiert?
Vermutlich, wann und in welcher Ausgestaltung ist aktuell jedoch offen. Die amtierende Bundesregierung hat sich zwar grundsätzlich auf eine Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken verständigt, die genaue Umsetzung dieses Vorhabens ist jedoch noch umstritten, genauso wie die Vereinbarkeit mit internationalen Abkommen. Fraglich ist auch, ob eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat die nötige Mehrheit finden könnte.
Wo ist der Besitz von Cannabis heute schon legal?
Der Besitz von Cannabis ist inzwischen in Kanada und in einigen US-Bundesstaaten unter bestimmten Voraussetzungen legal. Außerdem werden in manchen Ländern kleine Mengen für den Eigenbedarf mitunter geduldet bzw. nicht strafrechtlich verfolgt, beispielsweise in der Schweiz, Portugal, Belgien sowie in den Niederlanden.
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